112890-01
Wild, Heinrich (von), Physiker und Meteorologe (1833-1902).
Eigenhändiger Brief mit langer Nachschrift und doppelter Unterschrift.

Zürich, 22. November 1856. - (21,5 x 13,5 cm). 15 S. mit 11 kleinen Federskizzen sowie mehreren Formeln auf 4 Doppelblättern.

Außergewöhnlich inhaltsreicher, durch den sauberen Duktus von Niederschrift und Illustrationen besonders reizvoller Wissenschaftsbrief. Das Schreiben entstammt einem Teilnachlass von Wilds akademischem Lehrer, dem Königsberger Physiker Franz Ernst Neumann (1798-1895), daher mit Wahrscheinlichkeit an diesen gerichtet. - Wild promovierte 1857 in Zürich und wurde 1858 nach Bern berufen, wo er das meteorologische Observationsnetz der Schweiz aufbaute. 1868 betraute ihn die Petersburger Akademie mit der gleichen Aufgabe für Russland. "Wild was an active meteorologist who played a major part in the development of the science in the latter half of the nineteenth century. He improved several instruments, including the anemograph, anemometer, atmometers, barometer, rain gauges, of thermograph, several forms of theodolite, instruments for measurement of terrestrial magnetism, polarization photometer, and polaristrobometer. His modifications of these instruments significantly improved techniques for weather observation" (DSB 14, 356). - Im Hauptbrief kündigt er Neumann den soeben erhaltenen Sonderdruck seines Erstlings "Über ein neues Photometer und Polarimeter" an (Poggendorffs Annalen 99, 1856). Mit seiner noch von Neumann angeregten Dissertation hingegen "will's doch nicht so recht vorwärts. Mit dem optischen Theil wäre ich wohl in Ordnung"; er befragt Neumann noch zu "den Formeln über Metallreflexion, welche Sie die Güte hatten mir mitzutheilen (...) Überhaupt wäre es mir sehr erwünscht, wenn ich der Vollständigkeit halber gelegentlich einmal Ihre Theorie der Metallreflexion erhalten könnte, sei es, daß Sie dieselbe in der nächsten Zeit in Koenigsberg vortragen, sei es, daß ich vielleicht einmal Ihr Manuscript darüber erhalten könnte. - Was nun aber die electrische Partie der Arbeit anbetrifft, so steht's damit noch so zieml. beim Alten". Wild stellt Neumann das zugehörige Formelwerk auf über zwei Seiten zur Prüfung vor. Die drei eingeschalteten Skizzen finden sich auf der Tafel seiner Dissertation "Beitrag zur Theorie der Nobili'schen Farbenringe" wieder (gedruckt in: Neue Denkschriften der Allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften 15,7). Wild schließt den Hauptbrief mit persönlichen Sätzen: Er sehne sich "sehr nach Koenigsberg zurück. Als Studirender der Physik stehe ich hier nämlich so ziemlich isolirt... Was ich weiter beklage ist, daß in Zürich zwischen Professoren & Studirenden durch aus nicht jenes, ich möchte sagen, freundschaftliche Verhältniß besteht wie in Koenigsberg. Wie oft schon gedachte ich der schönen Stunden... wo Sie mich mit so viel Güte & Geduld belehrten & mir Muth & Zuversicht einflößten, vor Schwierigkeiten nicht zurückzuschrecken, sondern sie überwinden zu lernen". Die Nachschrift eröffnet Wild mit der Ankündigung, dass Abhandlung und Brief durch einen Freund überbracht würden, dem Neumann gleich auch alle Fragen beantworten solle. Auf den folgenden sechs Seiten schildert Wild detailliert seine Ideen zur praktischen Ausführung des Photometers, hierzu die übrigen acht Skizzen. "Diese Abänderungen & Zuthaten werden nun jedenfalls den Apparat sehr vertheuern, indessen glaub' ich, (der Mechaniker) Herr Philipp sollte ihn doch für ungefähr 100 Thlr. erstellen können, die Glasplatten im Apparat & die Linsen, Krystall & Nicol im Beobachtungsrohr abgerechnet. Ich möchte gerne Ihr Urtheil auch über diesen Kostenpunkt erfahren...". Abschließend kündigt er die Beendigung seines Studiums in Heidelberg an, "um da 1-2 Semester in den Laboratorien von Kirchhoff & Bunsen zu arbeiten. Herr Prof. Kirchhoff hat mir auf meine Anfrage hier bereits Plätze in beiden Laboratorien zugesagt". Wild hofft, Neumann werde sich von seinem "Unwohlsein" in Süddeutschland erholen, wo er den "lieben, hochgeehrten Lehrer" dann wiedersehen könne. - Mit schwachen Faltspuren und ein Blatt mit zwei brüchigen Tintenspritzern im weißen Rand, sonst tadellos. Aus Neumanns Nachlass beiliegend: Nicht unterzeichneter, aber nach Vergleich mit dem Brief zweifellos von Wild eigenhändig in farbigen Tuschen angefertigter Plan einer galvanometrischen Versuchsanordnung (21 x 27 cm). Die Einzelfiguren kehren auf der Tafel zu einer Abhandlung Wilds wieder: "Die Neumann'sche Methode zur Bestimmung der Polarisation und des Uebergangswiderstandes, nebst einer Modifikation derselben" (S. 213-243 in: Vierteljahrsschrift der naturf. Gesellschaft in Zürich, II, 1857). - Die Beilage mit geringen Gebrauchsspuren.


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