113906-01
Garnerin, Elise.
Konvolut mit zwei seltenen Schriften und einem Bogen mit vier Abbildungen zu den Wirren um den Aufstieg der Ballonfahrerin Elise Garnerin auf der Hamburger Sternschanze 1829. Enthalten sind: I. Höchst kurieuse Abentheuer der luftigen Princessin Elise Garnerin, die sich sehr schuftig aufgeführt hat, oder: Wie der Gast ist, brät man die Wurst. London (d.i. Hamburg). 1829. (19 x 12 cm). 7 S. (gefalteter Druckbogen). - II. Die Bestürmung der Sternschanze, oder die Luftschifferin in der Klemme. Eine Tragicomödie in vier Bildern. (Braunschweig. Meyer. 1829). (21 x 13,5 cm). 4 S. unbeschnitten. - III. Doppelblatt (20 x 12 cm) mit 4 lithographierten Karikaturen (je ca. 8,5 x 10,5 cm). Lose in Karton-Mappe um 1920 mit Bindebändern und montiertem handschriftlichem Titelschild "Die Bestürmung der Sternschanze".
1829.
Elise Garnerin (1791-1842), Nichte des berühmten Luftfahrtpioniers André-Jacques Garnerin und Erfinders des rahmenlosen Fallschirms, war eine der ersten Ballonfahrerinnen und die erste professionelle Fallschirmspringerin. Am 22. Oktober 1799 unternahm sie ihren ersten Sprung aus einer Höhe von 1000 m, 10 Tage nach dem ersten Fallschirmsprung von Jeanne-Geneviève Labrosse aus einer Höhe von 900 m, dem ersten Sprung aus dieser Höhe von einer Frau weltweit. Zwischen 1815-1829 führte sie insgesamt 39 Sprünge vor Publikum durch und erwarb sich den Beinamen "Venus im Ballon". - Zu ihrem skandalösen Gastspiel 1829 auf der Hamburger Sternschanze findet sich in den Memoiren des Hamburger Senators Hudtwalcker ("Ein halbes Jahrhundert aus meiner Lebensgeschichte". Hamburg. 1864; Band 3, SS. 309-310) folgende Schilderung: Die französische Luftschifferin Elise Garnerin traf, zusammen mit ihrem Vater, auf einem eingezäunten Platz Vorbereitungen für ihre Ballonaufstiege und führte dem Publikum die Apparate zur Herstellung des Wasserstoffgases vor, während gleichzeitig das Jägerkorps des Bürgermilitärs in der Nähe exerzierte. In ihrer Pause verlangten die wohl etwas angetrunkenen Soldaten freien Eintritt auf das Gelände, der ihnen jedoch verwehrt wurde, was schließlich zur Eskalation führte. Die Garnerin wurde bedrängt, es entwickelte sich ein handfestes Gemenge, in dessen Verlauf die wehrhafte Ballonfahrerin einem Jäger den Hirschfänger entriss, aber letztendlich doch mishandelt wurde. Erst der geblasene Appell rief die Soldaten zurück, die jedoch nachts in noch größerer Zahl zurückkamen und randalierten. Der Polizei gelang es nur mit Mühe, die Garnerin in Sicherheit zu bringen. Eine später erfolgte gerichtliche Untersuchung führte zur Verurteilung der beteiligten Soldaten; der festgesetzte finanzielle Schadensersatz mußte jedoch durch die Polizeikasse beglichen werden, da die Verurteilten mittellos waren. "Die Sache ward in auswärtigen Blättern vielfach besprochen, in Hamburg erschienen ein Paar Spottgedichte mit Zerrbildern". - Die vorliegenden Flugschriften spotten über das Ereignis und nehmen Partei für das Bürgermilitär, so wird unter anderem vermerkt "eine Schaar Gerechtigkeitsliebender ging nach der Wohnung der foppenden Luftfahrerin und gab Scheuerfrau und Glaser Arbeit". Die launigen Lithographien zeigen, wie die Garnerin sich beherzt gegen prügelnde Gardisten wehrt, wie sie einen von ihnen, einem Püppchen gleich, in der Hand hält und wie bei dem endlich doch stattfindenden Ballonaufstieg drei sie begleitende Gardisten aus dem Korb stürzen, während ein vierter bereits am Boden liegt. - Weder die beiden Schriften noch die Lithographien sind für uns bibliographisch nachweisbar. - Exlibris. Mit leichten Faltspuren und teils leicht stockfleckig. Die "Bestürmung der Sternschanze" mit handschriftlichem Eintrag in Tinte "Elise Garnerin" und "1829". Die Illustrationen rückseitig mit Bleistiftnotiz "Elise Garnerin 1829. Unterofficier Dohrmann". - Spannende und sehr seltene Dokumente zur Geschichte der Ballonfahrt und zur Hamburger Stadthistorie!